Der Kallbus
Es gibt Dinge, die lassen einen einfach nicht los - Ein Bus für die Kallboys! Ein Kallbus! Ein Kallbus, der uns bequem und lässig auf unseren Clubtouren bewegt. Das wäre was! Man braucht ja nur einen ausrangierten Linienbus zu kaufen und zu einem Kegelmobil umzubauen. Doch so leicht, wie wir uns das vorgestellt haben, war das nicht!
Februar 2018: Eine neue Idee reift heran
Karneval ist vorüber – leider als Fußgruppe. Es reift der Gedanke, dass dem Fuhrpark der Kallboys ein Fahrzeug fehlt. Es müsste ein LKW her, am besten mit Pritsche, vielleicht mit Plane und Spriegel, um z.B. am Karnevalszug teilzunehmen, Maibäume setzen zu können oder für Transportaufgaben.
Die erste Idee, einen günstigen verbrauchten Standard-LKW zu beschaffen, wird bald verworfen. Es lässt sich einfach kein Fahrzeug finden, das auffällig und extravagant genug wäre, um bei einem Auftritt der Kallboys auch gebührend zu repräsentieren.
Nach einiger Suche werden wir fündig: inseriert wird ein LKW von Ford Köln, Typ „FK 3500“, ein 7-Tonner mit V8 Benzin-Motor aus dem Jahr 1960. Ein Modell, das uns allen unbekannt ist. Das Fahrzeug ist als „Feuerwehrauto“ umgebaut, mit roter Lackierung, Blaulicht und Martinshorn. Ein erstes Telefonat mit dem Besitzer macht neugierig. Der Verkäufer hat den LKW im Jahr 2005 restauriert und zum Partymobil umgebaut, mit Sitzbank, 21 Sitzplätzen und Beschallungsanlage. Seit der Restaurierung sei der LKW kaum genutzt worden. Es fällt der Entschluss sich das Fahrzeug einmal anzusehen.
3.3.2018: Ausflug nach Hessen
An einem Samstagmorgen machen wir uns zu zweit auf in Richtung Kassel. Nach ca. 3 Stunden stehen wir beim Verkäufer auf dem Hof. Der LKW steht wohlbehütet in einer trockenen Garage. Das Fahrzeug weckt direkt unser Interesse. Ladefläche mit Sitzbank, Musikanlage, überdachte Ladefläche, die per Leiter bequem zu erreichen ist – alles so, wie wir es uns gewünscht hatten. Dazu gibt es eine umfangreiche Fotodokumentation der Restaurierung. Die Technik des Fahrzeugs erscheint uns beherrschbar. Viele Teile kennen wir aus dem Unimog (z.B. Elektrik, Vergaser). Der Motor ist ein 4-Liter-V8, pure Vorkriegstechnik mit stehenden Ventilen. Der Lack ist gut, der Rahmen ist rostfrei, die Radaufhängung mit Starrachsen und Blattfedern ist übersichtlich.
Wir bitten um eine Probefahrt. Der Motor springt problemlos an. Der Verkäufer fährt mit uns aus dem Ort, wo wir in Ruhe das Fahrzeug testen können. Man sitzt hoch, eine sehr angenehme Sitzposition, gute Rundumsicht. Der V8 Motor klingt gut. Das Fahrzeug lässt sich auch ohne Servolenkung gut lenken, zumindest so lange man rollt. Das Getriebe ist synchronisiert und lässt sich gut schalten. Fahrspaß kommt auf.
Zurück an der Halle wird noch über Kosten, Preise und Bedingungen gesprochen. Eine Zusage unsererseits scheitert letzten Endes aber am fehlenden Stellplatz. Denn eines ist nach dem Besuch klar: so einen LKW kann man nicht am Straßenrand parken, der braucht einen trockenen Stellplatz. Wir vertagen uns und treten die Rückreise im Schneegestöber an.
17.3.2018: Grübel, grübel und studier….
Zwei Wochen sind vorbei und die Köpfe rauchen: wo bekommen wir einen Stellplatz her? Inzwischen ist klar: ein FK 3500 ist ein sehr seltener LKW. Entsprechend wenig Experten scheint es zu geben, Literatur findet man keine, die Ersatzteilsituation ist auch kritisch. Aber das kann uns nicht mehr abhalten. Es beginnt die umfangreichste Suche, die der Club je gestartet hat. Über Wochen kontaktiert jeder im Club jeden, den er kennt, zwecks Suche nach einem Stellplatz. Bauernhöfe werden abgeklappert, Inserate studiert, an Türen geklingelt, telefoniert. Am Ende schaffen wir es! Das Stellplatz-Problem wäre gelöst.
Was nun? Immer noch kaufen? Ich telefoniere mit dem Verkäufer. Abgemacht war die Erledigung diverser Arbeiten und eine erfolgreiche Vorführung beim TÜV. Der Verkäufer bestätigt die Erledigung der Arbeiten und die Hauptuntersuchung bestanden zu haben und schickt mir eine Kopie des Fahrzeugscheins und des TÜV-Berichts. Ich besorge Überführungskennzeichen. Es wird ernst. Wir verabreden uns für den kommenden Samstag.
24.3.2018: Die Überführung
Frühmorgens verlassen wir Mondorf. Die Anreise verläuft trotz des Feriensamstags ohne Probleme und ohne Stau. Gegen 10 Uhr stehen wir vor dem LKW. Die erste Aktion: Nummernschilder anschrauben.
Nach Kontrolle aller Flüssigkeitsstände und der Beleuchtung treten wir die Heimreise an. Zuerst geht es quer durch Kassel, dann weiter durch Hessen über Landstraßen. Das Auto fährt sich gut. Zu Beginn eher zögerlich, gewöhne ich mich schnell an den Wagen und es läuft immer besser. Der anfangs etwas „verschnupft“ laufende Motor, der bisher anscheinend nur gelegentlich zu Rangierfahrten genutzt wurde, läuft mit jedem Kilometer besser. Nur eins nervt: es stinkt im Fahrerhaus nach Benzin. Nach einem Zwischenstopp wird klar: der Tank befindet sich unter der Beifahrersitzbank und die Dichtung des Tankgebers ist undicht. Eine Kleinigkeit, aber sehr nervig.
Am späten Nachmittag, nach mehr als sechs Stunden gemächlichen Fahrens über Landstraßen, erreichen wir Mondorf. Jetzt wird die „Beute“ genauer in Augenschein genommen.
Alle sind glücklich, alle sind happy, alle sind froh. Na gut, ein paar Kleinigkeiten wären vielleicht schon noch zu machen. Ein paar Kontrollleuchten im Armaturenbrett funktionieren nicht, die Tankuhr zeigt nichts an und am rechten Vorderrad scheint Bremsflüssigkeit auszulaufen. Wir entscheiden uns die Zulassung des Fahrzeugs erstmal aufzuschieben und in den kommenden Tagen mal die Bremse vorne rechts aufzumachen, um nachzuschauen.
April 2018: Ausgebremst
Ran an die Bremse: Es fängt alles mit einem gemütlichen Schraubernachmittag an. Nach Kauf einer 38er (!) Stecknuss schrauben wir das rechte Vorderrad ab. Der Radbremszylinder scheint nicht mehr dicht zu sein. Wir bauen ihn aus und schauen hinein.
Das sieht nicht gut aus. Unsere Idee den Zylinder aufzuarbeiten können wir beim Anblick dieser Beschädigungen begraben. Wir öffnen die Bremse vorne links und es ergibt sich das gleiche Bild. Jetzt beginnt die Suche nach Ersatzteilen.
Glück gehabt: wie durch Zufall werden im Internet die vorderen Radbremszylinder angeboten. Es handelt sich um Originalteile vom Hersteller. Schnell wird bestellt, denn der Plan ist, den LKW zur Mainacht einsatzbereit zu haben.
Die Wartezeit vertreiben wir uns mit anderen Arbeiten. Die Werbetafeln an der Seite mit Aufschrift „Werksfeuerwehr“ werden abmontiert. Vielleicht kommen sie später wieder dran, dann aber mit anderer Aufschrift. Die restliche Beschriftung des Vorbesitzers wird entfernt. Da wir keine Zulassung als Feuerwehrfahrzeug beabsichtigen, wird das Blaulicht abgebaut und das Martinshorn entfernt. Der Tankgeber wird neu abgedichtet und der Benzinschlauch, der vom Einfüllstutzen zum Tank führt, wird erneuert, damit der Benzingeruch gestoppt wird. Die alten Batterien werden durch neue ersetzt und dabei auch gleich mit Hilfe eines neu gebauten, selbst konstruierten Batteriehalters fixiert.
Als nächstes kommt die Frostschutzvorrichtung der Bremsanlage an die Reihe. Dabei handelt es sich um ein Gefäß mit Pumpkolben, das mit Frostschutzmittel gefüllt wird und den Druckluftteil der Bremsanlage vor dem Einfrieren bewahren soll. Der Pumpkolben wird entrostet, wieder gängig gemacht, der Vorratsbehälter wird gereinigt und das Bodenventil aufgearbeitet und mit einer selbst gebauten neuen Dichtung versehen.
Als die neuen Radbremszylinder für die Vorderachse ankommen, ist der Austausch zügig erledigt. Uns kommen allerdings Zweifel bezüglich der Bremse an der Hinterachse auf. Sollte diese in einem ähnlich schlechten Zustand sein? Wir entscheiden uns die Bremstrommeln an der Hinterachse abzunehmen um nachzuschauen.
Beim Versuch die hinteren Räder abzumontieren offenbart sich die nächste Überraschung. Die Radmuttern mit Schlüsselweite 38 halten nur die äußeren Räder. Die inneren Räder werden von Bolzen gehalten, die man mit einem Vierkantschlüssel lösen muss. Niemand von uns hat eine Stecknuss für Vierkantbolzen. Außerdem ist das Maß des Vierkants recht ungewöhnlich: ca. 20,3 mm Seitenlänge, wobei sich der Vierkant von innen nach außen verjüngt. Trotz Suche finden wir kein passendes Werkzeug, wodurch die Arbeiten (mal wieder) zum Erliegen kommen.
Nachdem sich kein Werkzeug finden lässt, wird klar: wir müssen uns selbst einen passenden Schlüssel anfertigen (lassen).
Zugegeben, das Erscheinungsbild ist etwas ungewöhnlich, aber der Schlüssel passt und durch seine Länge von einem Meter und seinem Eigengewicht von ca. 18 kg (!) ermöglicht er uns die Stehbolzen zu lösen.
Die Räder sind ab und so stellt sich die Frage, wie man die Bremstrommel abmontiert. Alle Zugversuche oder Versuche mit Abziehern verlaufen erfolglos. Im Internet finden wir eine Anleitung zur Reparatur der Bremse eines Mercedes-LKWs. Im Video wird die Steckachse und das Radlager demontiert, um die Bremstrommel abzunehmen. Wir entscheiden uns es auf diese Weise an unserem Ford-LKW mal zu versuchen und ziehen die Steckachse.
Schon lauert die nächste Überraschung: die acht Schrauben sind nicht metrisch. Wir brauchen Schlüsselweite elf sechzehntel Zoll (11/16“). Schnell wird ein zölliger Maulschlüsselsatz beschafft.
Die Steckachse ist raus. Natürlich ging die Papierdichtung beim Rausziehen kaputt und natürlich wissen wir nicht, wo wir eine neue herbekommen sollen. Doch erstmal schauen wir erstaunt was nun zum Vorschein kommt.
Wir sehen eine Mutter riesigen Ausmaßes. Nicht nur, dass man dafür eine Nuss mit einer Schlüsselweite von ca. 76 mm braucht – hinzu kommt noch, dass die Mutter 8-eckig ist. Erneut kommt die Arbeit zum Erliegen und wir wechseln von der Halle an den Rechner zwecks Internet-Recherche.
In einem kleinen Ort in Kalifornien werden wir fündig. Dort bietet jemand eine passende Stecknuss an. Wir lernen, dass auch dieses Maß nicht metrisch ist. Wir brauchen eine 3-Zoll-Nuss, achteckig. Die Mainacht ist nicht mehr fern und so wird per Express bestellt. Ein Kurier bringt die Lieferung zum nächsten Flughafen nach Oakland (Kalifornien). Von dort geht es per Luftfracht über Louisville (Kentucky) nach Köln/Bonn. Tatsächlich ist die achteckige Nuss 48 Stunden später bei uns in Mondorf und es kann weitergehen. Noch sind wir voller Hoffnung den Terminplan halten zu können.
Nach dem Entfernen der Mutter, eines Sicherungsbleches, einer weiteren Mutter und des Radlagers lässt sich die Trommel tatsächlich abnehmen. Und hier ist die nächste Überraschung: der LKW hat hinten eine Duplex-Bremse, d.h. zwei Radbremszylinder pro Rad.
Doppelte Anzahl Radbremszylinder für doppelten Spaß. Wir schauen mal vorsichtig in einen der beiden rein.
Das sieht nicht gut aus. Der Radbremszylinder ist gefüllt mit einem brauen Matsch aus Bremsflüssigkeit, Wasser und Rost. Wir brauchen also erneut neue Radbremszylinder, diesmal die für hinten und auch gleich vier Stück. Gleichzeitig ist klar: zur Mainacht wird das Auto nicht mehr fertig. Eine schnelle Reparatur macht hier keinen Sinn. Es fällt die Entscheidung die Bremsanlage komplett durchzusehen und zu überholen, bevor wir die Zulassung in Angriff nehmen. Wir haben Glück – geradezu unverschämtes Glück. Denn genau jetzt bietet jemand hintere Radbremszylinder für den FK 3500 im Internet an. Sofort schlagen wir zu und lassen uns die Teile schicken. Bis zur Ankunft der Teile schauen wir uns die vorderen Bremstrommeln an und entdecken, dass die Wellendichtringe, die das Fett des Radlagers am Eindringen in die Bremstrommel hindern sollen, verschlissen sind. Es beginnt wieder eine Suche per Internet und Telefon. Wir brauchen Ringe mit den Maßen 58,69 x 84,14 x 9,53 mm. Zuerst mögen diese Maße recht ungewöhnlich erscheinen, wenn man es von Millimeter auf Zoll umrechnet, wird es aber gleich einfacher: wir brauchen 2 5/16“ x 3 5/16“ x 3/8“. Doch egal ob Zoll oder Millimeter, das Maß der Ringe ist nirgendwo verfügbar. Am Ende finden wir jemanden, der Wellendichtringe auf Bestellung anfertigen kann. Leider müssen wir mindestens 10 Stück abnehmen, obwohl wir nur 2 brauchen und 6 Wochen Lieferzeit gibt es auch, denn die Ringe werden extra für uns hergestellt. Aber der Preis ist fair und die Alternativen fehlen, also wird bestellt.