Wie die Pioniere die Fähre zurückbrachten
In den 60er und 70er Jahren wuchs die Mobilität im Rhein-Sieg-Kreis stark an, sodass es nötig wurde bessere Verbindungen zur Rhein- und Siegquerung zu schaffen. So ergänzten 1969 die Friedrich-Ebert-Brücke (Nordbrücke) und 1972 die Konrad-Adenauer-Brücke (Südbrücke) die schon bestehende Kennedybrücke im Herzen Bonns. Dies betraf Mondorf jedoch nur wenig, da die Landstraße L269 inklusive Siegbrücke erst 1976 fertiggestellt wurde. Die Fertigstellung löste jedoch sehr schnell die Einstellung des Fährverkehrs zwischen Mondorf und Graurheindorf aus. Durch die neuen Verbindungen nutzten immer weniger Menschen die Fähre, sodass sich der Fährbetrieb nicht mehr rentabel bewerkstelligen ließ. Am 2. April 1977 kam nach fast 1200 Jahren das Aus für die Fährverbindung.
Doch auch Brücken brauchen Pflege. Die Kennedy Brücke war im Jahr 1993 schon in die Jahre gekommen und bedurfte einer gründlichen Sanierung. Der Verkehr hatte zudem den letzten 16 Jahren auch noch einmal zugelegt und man befürchtete in der Bonner Stadtverwaltung erhebliche Verkehrsstaus durch die Bauarbeiten. Daher bat man das Bundesministerium der Verteidigung (BMVg) um Hilfe. Man fragte an, ob Bundeswehrfähren den Verkehr entlasten könnten. Zunächst mussten jedoch einige Dinge geprüft werden. Da die Fähren, die eingesetzt werden sollten, für schwereres militärisches Gerät wie Panzer, LKW und Geländewagen gebaut waren, musste geprüft werden, ob zivile PKW die Fähren befahren können. Dazu wurden die Rampen abgeändert. Weiterhin musste eine Unbedenklichkeitserklärung der IHK eingeholt werden, die bestätigte, dass keinem privaten Unternehmen durch den Einsatz der Bundeswehrfähren Aufträge weggenommen werden. Weiterhin entfernte die Stadt Niederkassel den Wendehammer am Rheinufer der vielen Mondorfern noch als „Motodrom“ oder kurz „Drom“ in Erinnerung sein dürfte.
Aber nachdem alle diese Punkte geklärt waren sagte das BMVg zu und stellte drei Bodan-Fähren (F-824, F-842 und F-844) zur Verfügung. Dieser, von der Bodan-Werft am Bodensee gebaute, Fährentyp wurde überwiegend am Rhein von den Flusspionieren eingesetzt und besteht aus modular zusammenbaubaren Pontons. Diese Pontons sind auf die Eisenbahn oder LKW verladbar und können somit überall eingesetzt werden. In der kleinsten Zusammenstellung besteht die Fähre aus 4 Pontons; in der maximalen Zusammenstellung aus 20. Mehrere Fähren können als schwimmende Brücke zusammengekoppelt werden. In Mondorf kam die Konfiguration „Normalfähre“ bestehend aus 12 Pontons zum Einsatz (3 x4) und war 7,6 m breit und 37,5m lang. So bot sie Platz für 16 PKW die mit einer Maximalgeschwindigkeit von 15 km/h übergesetzt werden konnten. Maximal konnte die Fähre 135 t Last transportieren. Für den Antrieb sorgten vier um 360° drehbare Propellerruder mit je 145 PS.
Am 3. Mai 1993 begannen dann die Arbeiten an der Kennedy-Brücke und die Soldaten des schweres Pionierbataillon 140 aus Emmerich am Rhein nahmen den Fährbetrieb auf. Gefahren wurde im Schichtbetrieb in der Zeit zwischen 6 und 21 Uhr. Es waren immer zwischen 20 und 28 Soldaten vor Ort. Diese Personenzahl war notwendig, da nicht nur die Fähre besetzt werden musste. Zur Sicherheit patrouillierte ständig ein Begleitboot zwischen den Anlegestellen, auf der Mondorfer Seite befand sich ein VW-Bus mit Funkanlage, der die Kommunikation zwischen den Fähren und dem Begleitboot gewährleistete und auf der Bonner Seite stand ein Unimog mit Sanitätsausrüstung für Notfälle bereit. Es waren maximal zwei Fähren gleichzeitig in Betrieb, die Dritte lag in der Einfahrt des Mondorfer Hafens als Reservefähre bereit, falls eine der Fähren ausfallen würde.
Die Stimmung unter den Soldaten an Bord war ausgesprochen gut, bot sich doch hier die Gelegenheit das Material in Friedenszeiten einmal ausgiebig zu nutzen. Und nicht nur das, die Bevölkerung nahm das Angebot gut an; wie Oberfeldwebel Franz Zang (Bootskommandant) und Feldwebel Lutz Günther (Verantwortlicher für die Bootstechnik) erzählten:
“Die Benutzer der Bodanfähren waren höflich und freuten sich, mit einer Fähre der Bundeswehr überzusetzen zu können. Kinder und Jugendliche suchten den Kontakt zu den „militärischen Matrosen“ und mussten oftmals in ihrem Forschungseifer gebremst werden. Aber auch Landwirte, Auslieferungsfahrer von Bäckereien, Metzgereien und Getränkevertrieb zeigten sich auf materielle Art und Weise dankbar, weil ihnen ein großer Umweg erspart wurde. Natürlich wurde von den Soldaten das Verbot, Geschenke anzunehmen, beachtet; aber wie sollten die Jungs sich verhalten, wenn auf einmal unter dem Steuerhaus kleine „Köstlichkeiten“ aufgefunden wurden. Einsatzfahrzeuge der Polizei, der Feuerwehr und Krankenwagen wurden vorrangig, mit voller Maschinenleistung, übergesetzt. Bei Besuchen von Kindergärten, Schulklassen und Seniorentreffen waren die Soldaten hoch motiviert und und leisteten eine erfreuliche Öffentlichkeitsarbeit.“
So wurden bis zum 7. Juli 1993 in 836 Einsatzstunden 13320 PKW, 872 LKW und Landmaschinen und sowie 18136 Fußgänger und Radfahrer übergesetzt. Für diesen Einsatz wurde dem schweren Pionierbattalion noch im selben Jahr die Ehrenmedaille des I.Korps (die höchste truppendienstliche Dienststelle) verliehen.
Nachdem nun die Kennedybrücke wieder offen stand, hatte dieser Einsatz doch gezeigt, dass eine Wiederaufnahme des Fährbetriebes durchaus kostendeckend sein könnte. Denn auch nach der Sanierung war aus Niederkasseler und Troisdorfer Sicht die L269 nach wie vor ein Nadelöhr mit Staupotential. Zudem waren die Bodanfähren auch von vielen Spaziergängern und Radfahrern auf einer Radtour genutzt worden – so bot eine Fährverbindung also zusätzlich einen Faktor als Freizeitangebot.
Zunächst interessierte sich der Düsseldorfer Unternehmer Hans Schäfer, der bereits eine Fähre in Kaiserwerth betrieb für das Projekt und trieb es voran. Letztendlich entschied er sich doch gegen eine Umsetzung und überließ die Fährkonzession Heinrich Heinen aus dem Westerwald. Am 19. März 1994 war es dann soweit. Die Fähre „Michaela“ nahm ihren Betrieb in Mondorf auf und etablierte nach 17 Jahren wieder eine feste bis heute bestehende Fährverbindung.
Die Pioniere hatten also ganze Arbeit geleistet und das geliefert was man von Pionieren erwartet: „Einsatzvoraussetzungen schaffen!“. Sie hatten gezeigt, dass eine Fährverbindung in Mondorf wieder rentabel betrieben werden kann und so die „Fähre“ zurück nach Mondorf gebracht. Vielen Dank dafür!
Quellen und Danksagung für diesen Artikel.
Wir möchten uns ganz herzlich bei Herrn Manfred Labes von www.flusspi.de bedanken. Er beschaffte Informationen zur Bodanfähre und interviewte für uns Oberfeldwebel Franz Zang und Feldwebel Lutz Günther, bei denen wir uns ebenfalls bedanken möchten. Nicht nur für die bereitwilligen Ausführungen, sondern auch für die Zurverfügungstellung des Filmmaterials von dem Einsatz auf der Bodan-Fähre 1993.
Weiterhin möchten wir uns bei Roland Klinger bedanken, der uns erlaubte die Fotos aus dem Archiv des Mondorfer Drogenristen Wilfried Korten, dass dessen Tochter Ihm zur Aufarbeitung überlassen hat, zu verwenden. Zudem erhielten wir vom Herrn Klinger weiteres Informationsmaterial zu dem Einsatz. www.mondorf-rhein.de
Zuletzt gilt unser Dank noch Frau Susanne Hennche vom General Anzeiger Bonn, die für uns im Archiv nach Artikeln zu diesem Thema suchte und fündig wurde. www.general-anzeiger-bonn.de
Textquellen:
Werbebroschure der Bodan-Fähre, herausgegeben von der Bodan-Werft, Erscheinungsjahr unbekannt
Zeitschrift „Die Bundeswehr“Ausgabe Nr. 8 – August 1993 Artikel “Bundeswehr schafft neue Wege – Ein etwas anderer Einsatz“ Seite 41, Autor: Uwe Pook
Archiv- Artikel „ General Anzeiger“ Erscheinungstag: 30.04.1993 Dokument,ID.: 84494 , Titel: „Pioniere leisten Fährdienst über den Rhein", Autor: Michiko Uebel
Archiv- Artikel „ General Anzeiger“ Erscheinungstag: 23.02.1994 Dokument,ID.: 95220, Titel: „Die alte Dame braucht den täglichen Stau“, Autor: Annette Lüdtke